„Ich soll die Berge anders zeichnen?“, fragte ich zurück. Woraufhin er mir stotternd empfiehl, wenigstens eine engere Perspektive zu verwenden, damit es nicht so auffällig ist … Was eigentlich? Dass sich dort die ungarische Geschichte abgespielt hat? Dass unsere Landesgrenzen den natürlichen Grenzen angepasst waren? Schließlich wurde in den Filmen alles so belassen, wie es korrekt sein musste.
Mir persönlich konnten die abgetrennten Landesteile nicht entrissen werden. Es stimmt zwar, bis zur Wende - sprich Befreiung - war ich außer in Kroatien und Österreich in keinem dieser Gebiete. Ich wollte nicht traurig werden. Na, aber seither! Wo auch immer ich mich aufhalte, ich fühle mich dort zu Hause. Ich bin auch überall zu Hause. Da ich in vielfacher Hinsicht betroffen bin. Durch meinen Großvater väterlicherseits mit kroatischen und ungarischen Wurzeln, der den Großteil seines Lebens in Pressburg (Pozsony) verbrachte, seine Frau, also meine Großmutter, die von Geburt Slowakin - mit polnischem Einschlag - war, doch durch die Liebe zu meinem Großvater zur Ungarin wurde, durch meinen Großvater mütterlicherseits, bei dem sich Szekler und armenisches Blut vermischten, bzw. seine Frau, meine andere Großmutter, die einer ungarischen Familie von der Großen Schüttinsel (Csallóköz) entstammte. Alle vier Großelternteile vertraten also abgetrennte Landesteile. Die Familienzweige in Siebenbürgen (Erdély) und auf der Großen Schüttinsel leben und gedeihen noch, sie sorgen dafür, dass mein Familienblut nicht versickert.
Aber auch in den kleinen Heimatteilen, wo ich keine familiären Wurzeln habe, in Serbien, in der Karpatenukraine (Kárpátalja) oder im Burgenland leben ebenfalls Ungarn. Und überall, wo Ungarn leben, sorgen sie für eine Erweiterung meiner eigenen Welt.
Meine Vorfahren waren gute ungarische Patrioten oder sie sind es geworden. Die kroatischen Urahnen, die unsere gemeinsame Heimat gegen die Türken verteidigten, mein Ur-Ur-Onkel aus Tirol (Österreich), der zusammen mit seinem Schwager, meinem Ur-Ur-Großvater, 1848/49 gemeinsam für die Freiheit Ungarns kämpfte und dafür mit einer langjährigen Haftstrafe gebüßt hat, mein polnischer Ur-Ur-Großvater, 1831 Leiboffizier von Bem bei Ostrołęka in Polen, der bereits als ungarischer Landeseinwohner seine Dienste der neuen Heimat anbot, wie auch die Begründer der Gemeinde Szamosújvár (Neuschloss). Auch sie haben mich zu einem ungarischen Patrioten erzogen.
Marcell Jankovics
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